HEIMAT

SABINE MAI SCHREIBT ÜBER KULTURELLE IDENTITÄT

Ruhe nach dem Sturm im Schaffhauser Münster

Wer üppig ausgemalte Kirchen liebt, wird das Schaffhauser Münster meiden. Hier findet der Besucher außer Ruhe fast nichts mehr in den Nischen, wo sonst Altäre stünden, schon gar keine verspielten Figuren oder Schnörkel. Leere Wände mit Resten alter Bemalung entfalten ungestört ihre spirituelle Kraft – ungewöhnlich für ein so altes Gotteshaus in Europa. Was war passiert?

Das ist lange her. Ein Sturm, Bildersturm genannt, fegte durch das 15. Jahrhundert – im Schweizer Kanton Schaffhausen mit der Wucht eines Orkans. Als wäre das Motto schon damals „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ gewesen, befreiten sich die Reformatoren von der erstarrten katholischen Ordnung. Mit im Papierkorb der Geschichte landete, was Künstler gerade noch liebevoll entworfen hatten.

Eine bitteres Zeitalter für sakrale Kunstwerke war angebrochen. Der „Große Mann von Schaffhausen“ zerschlagen am Boden und schließlich weggefegt. Maria eingemauert im Glockenturm. Wer Glück hatte, wurde als ausrangierter Heiliger ins Exil verkauft. Und all die Maler und Bildhauer, die diese Werke schufen, was wurde aus ihnen? Mussten sie nun arbeitslos geworden sich neue grüne Weiden suchen, am Ende gar Schafe hüten?

Münster Schaffhausen
Überlebende des Bildersturms: verstümmelt, eingemauert und ausrangiert. So verbrachte Maria mit dem Jesuskind die bitteren Jahre bis beide in moderner Zeit befreit wurden.
Münster Schaffhausen
Zeitlose Schönheit ohne Schnörkel und Gedöns: das Schaffhauser Münster von Innen.

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

© 2024 HEIMAT

Thema von Anders Norén