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SABINE MAI SCHREIBT ÜBER KULTURELLE IDENTITÄT

Edigna – aufsässige Heilige im Baumhaus

Alte Bäume sind toll! Sie laden ein zum Träumen unter ihrem grünen Blätterdach. Eine Weile machte ich es mir zum Spaß, den möglichst ältesten Baum in meiner Umgebung zu finden. So kam ich schließlich nach Puch in Bayern und lernte dort die Heilige Edigna und ihre 1000-jährige Linde kennen.

Ich ahnte nicht, was für eine schwierige Heilige sie war. Nicht heiraten wollte sie und widersetzte sich sowohl dem Vater als auch dem zukünftigen Ehemann. Den weiten Weg von Frankreich soll sie geflohen sein, bis sie in Puch mit Hilfe der Linde endlich ihren jugendlichen Protest durchsetzen konnte. Der mächtige Baum wurde zu ihrer Wohnung. Zeitlebens unverheiratet durfte Edigna ihren eigenen emanzipierten Lebensweg vollenden und wurde schließlich zur verehrten Heiligen.

Wohl gemerkt: das war im Jahr 1074! Zu dieser Zeit gab es keine Selbstverwirklichung und schon gar nicht für die Mädels. So viel gesellschaftliche Realität hatte ich dann doch nicht von einem alten Baum erwartet.

Sei es drum, im 18. und 19. Jahrhundert war der Ort Puch ein heimlicher Wallfahrtsort für heiratsunwillige junge Frauen, die dort durch ihr Flehen Erlösung vor Zwangsverheiratung suchten. Ob’s geholfen hat wird nicht berichtet. Heute werden die Dienste der Edigna zum Glück immer weniger in Anspruch genommen. Trotzdem ist der zauberhafte Hügel mit Kirche und Linde auch heute noch einen Besuch wert.

Allerlei wundersame Dinge werden der Linde nachgesagt. Ihr könnt gerne ein paar Blätter mitnehmen und die Rezepte ausprobieren. Ganz zufällig war der Hügel von Puch schon in vorchristlicher Zeit bewohnt gewesen. Wer weiß, ob hier nicht ein alter Baumgeist die Jahrtausende überlebt hat? Wenn das so sein sollte, dann ist‘s in jedem Fall ein Mädchen!

Was das Ökumenische Heiligenlexikon über Edigna sagt

So findet ihr die Edigna Linde in Google Maps

Reliquie der Heiligen Edigna in der Kirche von Puch

Reliquie der Heiligen Edigna in der Kirche von Puch

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Thema von Anders Norén